krimi & thriller BRENNWEITE Der neue Fall für Pressefotograf Bronski Frühling der Wunder. Deutschland erlebt das Unfassbare. Ein Blinder kann plötzlich wieder sehen, ein Terroranschlag wird verhindert, und eine Prophezeiung erschüttert das ganze Land. Verantwortlich dafür ist ein Mann, der aus dem Nichts kam. Ein Mönch, unscheinbar und bescheiden, das Volk glaubt an einen neuen Messias. Nur David Bronski und seine Kollegin Svenja Spielmann zweifeln ... Bernhard Aichner über die Fortsetzung seiner Krimireihe, das Fotografieren und das Schreiben Mit wem haben wir es bei David Bronski, Ihrem Krimihelden, zu tun? David Bronski, von jedem – auch von seiner Familie – nur Bronski genannt, ist Mitte vierzig, lebt allein, steht nur mit seiner Schwester Anna regelmä ßig in Kontakt. Er ist in Tirol aufgewachsen, hat dort seine Karriere als Pressefotograf begonnen und ist irgendwann nach Berlin gezogen, wo er fü r eine renommierte deutsche Tageszeitung arbeitet. Er ist unzugä nglich, von Schicksalsschlä gen gebeutelt. Aber hinter seiner rauen Schale steckt ein großer weicher Kern. „Ich fotografiere tote Menschen“ – dieses Zitat Bronskis stellen Sie »Dunkelkammer«, dem ersten Band, voran. Was hat es damit auf sich? © Ursula Aichner Vor zwanzig Jahren hat Bronski seine Tochter verloren, sie war vier Monate alt, als sie spurlos verschwand. Vor sieben Jahren hat sich seine große Liebe Mona das Leben genommen und ihn mit dem Schmerz alleingelassen. Seither hat Bronski nur noch seine Arbeit. Und eine geheime Leidenschaft: Es ist ein bizarres Hobby, das er betreibt, ein Zwang, eine Sucht, wenn man so will. Er widmet sich dem Unglü ck anderer Menschen 4
krimi & thriller und hält es in Bildern fest. Dort, wo Menschen sterben, taucht er auf und macht Fotos. Analoge Bilder vom Sterben. Er zieht sich zurück in seine Dunkelkammer und entwickelt sie. Bilder von toten Menschen. Was fasziniert ihn so daran? Ich habe Bronski eine alte Tradition aufgreifen lassen, die Post-mortem- Fotografie. Diese Form der Fotografie hat eine sehr lange Geschichte. Im viktorianischen Zeitalter Ende des 19. Jahrhunderts wurden die Toten noch ein letztes Mal in Szene gesetzt, so als würden sie noch leben. Man zog zum Beispiel kleinen Kindern ihr schönstes Gewand an, frisierte sie und fotografierte sie inmitten von Spielzeug und ihren Geschwistern. Man wollte die Toten noch einmal lebendig zeigen und dieses Bild dann konservieren, bevor sie für immer verschwanden. Heute hat sich das ja sehr gewandelt. Man verabschiedet sich wieder öfter von den Toten am offenen Sarg, man möchte sie noch ein letztes Mal sehen, bevor sie bestattet werden. In »Dunkelkammer« geht es unter anderem um postnatale Depression, in »Brennweite« um unseren Umgang mit dem Glauben, in »Gegenlicht« um die bedrückende Geschichte der Kindersoldaten in Sierra Leone. Wie wichtig sind Ihnen schwierige, teils tabuisierte Themen? Ich beschäftige mich mit Themen, die mich berühren. Sierra Leone zum Beispiel, dieses System, Kinder zu Mördern zu machen oder in die Prostitution zu zwingen, hat mich zutiefst schockiert. Ich musste einfach darüber schreiben. Wenn meine Krimis nämlich ein bisschen Bewusstsein für solche Themen schaffen, dann ist schon viel erreicht. Dabei möchte ich aber nicht den moralischen Zeigefinger heben. Das liegt mir nicht. Ich möchte niemanden erziehen, keinem sagen, was er zu denken hat. Das Zwischenmenschliche steht bei mir im Mittelpunkt. Ich möchte aber rühren. Am Ende verändern nämlich Gefühle die Welt. Nicht Taten. In Ihrem Krimi »Brennweite« beschäftigen Sie sich intensiv mit dem Thema Wunder. Glauben Sie daran? Ich glaube an die Liebe und an das Schicksal. Daran, dass man seinen Lebenslauf beeinflussen kann, indem man gute Energie aussendet. Wie man in den Wald hineinruft, so tönt es auch heraus, hat mein Vater immer gesagt. Und er hatte recht. Tut man Gutes, wird einem Gutes getan. Klingt zwar verdammt pathetisch, aber daran glaube ich. Nicht an Wunderheilungen oder daran, dass aus meinem Leitungswasser irgendwann Barolo wird ... Wie viel Bernhard Aichner steckt in David Bronski? Bevor ich Anfang der Nullerjahre in die Werbefotografie einstieg, war ich jahrelang als Pressefotograf für die Tageszeitung Kurier tätig. Dort habe ich das journalistische Handwerk erlernt und war im Besonderen von der Polizeifotografie fasziniert. Für Bronski musste ich also einfach in meine eigene Vergangenheit zurück- schauen und mich an all das erinnern, was mich damals so fasziniert hat. Dass ich mich jahrelang in diesem Milieu bewegt habe, hilft beim Schreiben sehr. Und am Ende bereitet es mir wahnsinnig viel Vergnügen, meine beiden Leidenschaften – das Schreiben und die Fotografie – in den Bronski-Krimis zusammenführen. Ein Fotograf, der schreibt? Oder ein Schriftsteller, der auch fotografiert? Es war immer mein größter Traum, Schriftsteller zu werden, vom Schreiben leben zu können. Mit vierzehn habe ich mir das in den Kopf gesetzt, knapp dreißig Jahre später ist der Traum wahr geworden. Mit »Totenfrau«, meinem siebten Roman, ist der Durchbruch gelungen. Ich habe Germanistik studiert, Texte zerlegt, so wie Mechaniker Autos zerlegen, ich habe verstanden, wie ein guter Text gebaut ist, habe ein Gefühl für Literatur bekommen und mit den Jahren versucht, meinen eigenen Ton zu finden. Das mit der Fotografie entwickelte sich parallel. Ich habe an zwei beruflichen Karrieren gleichzeitig gearbeitet. Es waren zwei Berufe, die sich gegenseitig gutgetan haben. Der fotografische Blick beim Schreiben und das Erzählende in der Fotografie – beides ist bis heute untrennbar miteinander verbunden. Last but not least, Gratulation, dass Ihr Bestseller »Totenfrau« ab Herbst auf Netflix an den Start geht! Ich kann gar nicht beschreiben, wie glücklich ich bin. Was ich mir bei Erscheinen von Totenfrau 2014 heimlich gewünscht habe, geht im November in Erfüllung. Blum wird weltweit zu sehen sein, das ist absolut verrückt. * * * Bernhard Aichner BRENNWEITE Ein Bronski Krimi btb, Klappenbroschur, 352 S. € 17,90 morawa.at 5
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